Plattenläden – Eldorado für Fans

14.12.2022 09:55
avatar  Hagen
#1
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Über vierzig Jahre ist es her, dass Woodstock zehn Jahre her war. Damals bildete sich mein Musikgeschmack heraus, der mich im Kern bis heute begleitet, auch wenn noch heute immer wieder neue Entdeckungen hinzukommen. Santana, J.J. Cale, Jimi Hendrix, die Stones, Neil Young und viele mehr waren der Einstieg. Stunden verbrachte ich am Radio, um in meinen Lieblingssendungen die besten Songs auf Kassette mitzuschneiden. Aber auch meine LP-Sammlung wuchs. In Lüneburg gab es zeitweise fünf relevante Geschäfte: Bohnhorst und Membran, Heitmann, Karstadt und Kerber. Hab ich eins vergessen? Manchmal fuhr ich mit meiner aktuellen Wunschliste nach Hamburg, klapperte zwischen Hauptbahnhof und Speersort mindestens sieben Plattenläden oder -abteilungen ab, notierte mir die Preise, sammelte auf dem Rückweg die jeweils besten Angebote ein und kam mit voller Tasche nach Hause.

1979, mit einem amerikanischen Freund in Toronto unterwegs, verbrachten wir – während unsere Eltern brav Museen besuchten – den gesamten Tag in der Yonge Street, wo sich ein Recordstore an den nächsten reihte. Dies war unser Kulturprogramm – mehr brauchten wir nicht zum Glücklichsein. Musik war unser Leben. Durch die Papphüllen mit ihren bunten Covern zu blättern und begehrte Alben zu suchen ließ uns Raum und Zeit vergessen. Wo immer ich hinkam – Plattengeschäften galt stets mein erstes Interesse. Die manchmal jahrelange Fahndung nach Raritäten war ein echtes Abenteuer.

Dann kamen die CDs mit ihrer Miniaturisierung – 12 x 12 statt 30 x 30 Zentimeter. Dann kam das Internet mit seiner Entmaterialisierung – Downloads und Streaming statt Tonträger zum Anfassen. Plattenläden starben aus. Wie gut, dass es sie gab, als ich sie am dringendsten brauchte.

Was entgeht den jungen Menschen heute bei der ständigen Verfügbarkeit jeglicher Musik in digitaler Form? Beispielsweise die Mühe, die man auf sich nehmen musste, um gesuchte Alben auf Plattenbörsen und Flohmärkten irgendwann zu ergattern und den hart erkämpften Triumph zu genießen. Oder das haptische Erlebnis, eine LP vorsichtig aus der Hülle zu nehmen, auf den Plattenteller zu legen, irgendwann umzudrehen und am Ende des Hörens zurück in die Hülle zu stecken. Ganz zu schweigen vom großformatigen Cover, das vielleicht aufgeklappt werden kann und von womöglich bedruckten Innenhüllen, auf denen Bilder und Texte zum Verweilen einladen. All dies verbindet Musik mit Aktivitäten und Handlungen und wertet sie auf, macht sie zu etwas Besonderem, zu mehr als der Summe ihrer Rillen.

Naja, immerhin sieht man hier und da noch – oder wieder – Second-Hand-Plattenläden. Und Vinyl erlebt eine Renaissance, yeah!!! Wie es heißt, begeistern sich gerade junge Menschen zunehmend für LPs … kann ich gut verstehen.

Nach langer Pause kaufe auch ich gelegentlich wieder richtige LPs. Die letzten stammten von Gary Moore, Kraftwerk, Dizzy Gillespie und Santana, allesamt in farbigem Vinyl.


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14.12.2022 10:32
#2
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Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich zum Thema Plattenläden mal was im XING-RF platziert.
Hier die aktualisierte Fassung:

"Bei uns in der Provinz hat die selbsternannte jugendliche Avantgarde die Plattendealer mehr inspiriert als umgekehrt.
Wir mussten als Teens in den 70ern immer einen Autobesitzer chartern, der für uns Platten bei Saturn in Köln kaufen musste.
Den ersten "inspirierenden" Plattenladen in der Nähe habe ich erst als Oldtimer in Venlo gefunden: "Sounds"
https://www.sounds-venlo.nl/";

An anderer Stelle habe ich dort mal von meinen Plattenladenerfahrungen in London berichtet...

Schade ...geht alles verloren.

Umso wichtiger ist es Neues zu gewinnen - weiter so, Hagen !


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14.12.2022 18:44
avatar  Wölfi
#3
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Anfang 80er fand ich meine erste große musikalische Liebe. Ich wurde ein „wilder, arbeitsscheuer, dauerbetrunkener und dem Teufel verfallener Metalhead.“ Auf gut bayerisch: A langzodades, schwindsüchtiges Zigareddnbürscherl.

Eines Tages brachte mein Vater drei Tüten voll mit Heavy Metal- und Hardrock-Platten nach Hause, die er von einem Aushilfs-Arbeitskollegen (ein langzodada Bombmlega) geliehen bekam. Wie die Bekloppten nahmen wir alles auf Kassette auf. Wehe, du bist während der Aufnahme an den Plattenspieler gekommen, hast du alles wieder von vorne aufgenommen. Diese kleinen Springer in bestimmten Songs, die wahrscheinlich vom unsachgemäßen Gebrauch vom Bombenleger herrührten, vermisse ich, wenn ich mir diese Songs heute „normal“ anhöre.

Das Plattenausleihen ging dann eine ganze Weile so weiter, bis wir irgendwann die komplette Sammlung vom Bombenleger durchhatten. Was nun? Wir mussten uns das „schwarze Gold“ selber besorgen. Ein solcher magischer Ort war der Govi in Regensburg, wo diese Schätze lagerten. Ich hatte schon ein paar Mal den immer gleichen Traum: Ich bin irgendwo auf der Welt. Eine schöne große Stadt. Ich scheine mich auszukennen. Ich weiß genau, wo ich hinmuss. Mein Ziel ist klar …


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